Anspruch des Kindes auf Auskunft über Identität des anonymen Samenspenders

In einem wegweisenden Urteil hat der BGH am 28.01.2015 (Az: XII ZR 201/13) entschieden, dass Kinder, die mittels einer Samenspende gezeugt wurden, grundsätzlich einen Anspruch darauf haben, die Identität ihrer anonymen Samenspender zu erfahren.

Grundlage der Entscheidung war die Klage zweier 1997 und 2002 geborener Klägerinnen, die von der beklagten Reproduktionsklinik Auskunft über die Identität ihres biologischen Vaters durch Bekanntgabe des Samenspenders verlangten. Die Mütter der Klägerinnen und ihre Ehemänner hatten im Rahmen des mit der Klinik geschlossenen Vertrags eine notarielle Erklärung abgegeben, in der sie auf Auskunft über die Identität der Samenspender verzichteten.

Nachdem das Amtsgericht der Auskunftsklage stattgegeben hatte, wies das Landgericht im November 2013 auf die Berufung hin die Klage ab. Diese Entscheidung wurde nun vom BGH aufgehoben.

In seinem Urteil stellt der BGH fest, dass die durch künstliche Befruchtung gezeugten Kinder in derartigen Konstellationen in den Schutzbereich des Behandlungsvertrags zwischen den Eltern und der Klinik einbezogen sind. Aus den Grundsätzen von Treu und Glauben (§ 242 BGB) kann sich dann ein Auskunftsanspruch ergeben, wenn zu erwarten ist, dass die Information von dem Kind benötigt wird. Davon ist immer dann auszugehen, wenn die Eltern die Auskunft zum Zwecke der Information des Kindes verlangen.

Voraussetzung ist, dass die Auskunftserteilung für den Auskunftspflichtigen (in der Regel die Klinik) zumutbar ist. Ob dies der Fall ist, ist in jedem Einzelfall durch eine umfassende, einzelfallbezogene Abwägung der beidseitigen Interessen zu klären. Auf Seiten des Kindes ist es dabei von erheblichem Gewicht, dass die Auskunft für die Entwicklung der Persönlichkeit von elementarer Bedeutung sein kann und sein verfassungsrechtlich garantiertes allgemeines Persönlichkeitsrecht tangiert ist. Auf der anderen Seite kann die ärztliche Schweigepflicht dem Auskunftsanspruch entgegenstehen, soweit sie dem Schutz des Samenspenders oder der Eltern dient. Schutzfähige Interessen sind dabei das Recht des Samenspenders auf informationelle Selbstbestimmung (sofern ihm Anonymität zugesichert wurde) sowie mögliche Auswirkungen auf seine private Lebensgestaltung, nicht dagegen auf seine wirtschaftliche Situation. Theoretisch können auch Interessen der Eltern dem Auskunftsanspruch entgegenstehen, praktisch dürften diese jedoch – sobald das Kind Kenntnis von der Samenspende hat – kaum einmal entscheidenden Einfluss auf das Abwägungsergebnis haben.

Ein von den Eltern erklärter Verzicht wirkt nicht zu Lasten des Kindes. Weder der Auskunftsanspruch noch seine Geltendmachung setzen ein bestimmtes Mindestalter des Kindes voraus.